Seine Meisterwerke
Hier und heute geht es noch einmal um Vincent van Gogh. Nach der Vorstellung des Buches Van Goghs Gärten folgt nun eine Publikation, in der der Zeichner – als der er mich im übrigen besonders interessiert – im Zentrum der Betrachtungen steht. Das Buch – eine Art Katalog – geht zurück auf eine Ausstellung, die 2005 zuerst im Van Gogh Museum in Amsterdam und direkt im Anschluss im Metropolitan Museum of Art in New York gezeigt wurde.
In der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit spielt der Zeichner Vincent van Gogh gegenüber dem Maler eine untergeordnete Rolle. Es wird leicht vergessen, dass er auch ein guter und produktiver Zeichner war. Mit dem Zeichnen begann seine künstlerische Laufbahn, und das Zeichnen behielt er bis an sein Lebensende bei, mal mehr, mal weniger intensiv, aber es blieb immer eine von ihm gern genutzte und geschätzte Ausdrucksmöglichkeit. Zudem war Zeichenmaterial preiswerter als Leinwände und Ölfarben – für den stets an Geldmangel Leidenden ein nicht unerheblicher Faktor.
Das Buch, um das es hier geht, zeigt die zeichnerische Entwicklung des Niederländers entlang seinen entscheidenden Lebensstationen auf, angefangen bei den ersten Versuchen 1880/1881 in Borinage, Brüssel und Etten bis zum letzten Lebensabschnitt des Künstlers in Auvers-sur-Oise. Dank der erläuternden Texte von Sjaar van Heugten, dem seinerzeitigen Hauptkonservator des Van-Gogh-Museums, schauen wir van Gogh sozusagen über die Schulter und verfolgen seine Bemühungen, (überwiegend) anhand von Lehrbüchern die Zeichenkunst zu erlernen, sich mit Gesetzmäßigkeiten bildnerischer Darstellung (Perspektive, Proportionen …) vertraut zu machen, aber auch (oft über Bruder Theo als Vermittler) Käufer für seine Arbeiten zu finden. Zudem öffnen die Hinweise des Autors den Betrachtern der Bilder die Augen für Besonderheiten in den Zeichnungen, darunter auch den sich nach und nach diversifizierenden Einsatz der Zeichenwerkzeuge – vom Bleistift bis zur Rohrfeder. Und wir lernen, wie fasziniert van Gogh von japanischen Holzschnitten war und wie sich diese Begeisterung in etlichen seiner Zeichnungen niederschlug.
Hinsichtlich der Motive ist festzustellen, dass sich die des Zeichners van Gogh im Prinzip nicht von denen des Malers van Gogh unterscheiden: dörfliche Szenen, ländliche Landschaften, Landbevölkerung bei der Arbeit oder im Porträt, Gärten, Fischerdörfer und-boote, Darstellung der menschlichen Figur … Manchmal hat er auch Motive zunächst als Zeichnungen festgehalten und diese später als Maler auf die Leinwand gebracht – oder auch anders herum.
Fazit: Wer sich mit dem Zeichner Vincent van Gogh vertraut machen möchte, findet mit dem hier vorgestellten Buch eine ausgezeichnete Einführung. Um es mit den Worten von John Leighton, zur Zeit der Veröffentlichung Direktor des Van Gogh Museums, zu sagen:
Dieses Buch bietet eine seltene Gelegenheit, einer immer noch ebenso unbekannten wie unterschätzten Seite von van Goghs Kunst zu begegnen. Illustriert mit einigen der schönsten Blätter erläutert der Text, wie das Zeichnen zu einem wesentlichen Bestandteil von van Goghs künstlerischer Betätigung wurde.
Wer sich nun – einfach nur oder schon einmal – umschauen will, findet in der Unterkategorie Drawings by Vincent bei Wikimedia Commons recht umfangreiches Material.
Zur Veranschaulichung habe ich für diesen Beitrag dort einige Arbeiten – rein subjektiv – ausgewählt und sie zu einer kleinen Galerie (zum Start bitte eines der Bilder anklicken) zusammengestellt. Die meisten der Zeichnungen finden sich auch in dem Buch.
Sjaar van Heugten
Van Gogh – Die Zeichnungen
Seine Meisterwerke
Belser Verlag 2005, 192 Seiten, 163 abgebildete Werke
ich hab hier grad noch mal reingeschaut und bedanke mich für die Anregungen. Die Zeichnungen von van Gogh haben mich immer schon sehr interessiert, habe früher auch so manche kopiert, um dahinterzusteigen, wie sie „gemacht und gedacht“ sind.
https://gerdakazakou.com/2016/04/01/zeichnen-no-3-einfuehlen-durch-kopieren/
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Freut mich, dass Stift und Schrift – oder vielleicht doch besser: dass van Gogh anregend auf Dich wirken konnte. Ich habe den Beitrag in Deinem Blog noch einmal gelesen. Ich meinerseits fand Deine Ermutigung zu Kopieren anregend. Sehr schön auch der Titel Deines Beitrags: „Einfühlen durch Kopieren“ diese auf Giacometti basierende Aussage trifft es ,glaube ich, sehr gut.
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Diese Seite von van Gogh kannte ich noch gar nicht. Danke fürs Vorstellen, liebe Ingrid. Wieder eine Bildungslücke geschlossen 😀 Herzliche Grüße, Peggy
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Hallo Peggy, da bist Du wohl nicht die Einzige, für die der Zeichner van Gogh ein mehr oder weniger Unbekannter ist bzw. war. Und bis vor kurzem ist es mir ja weitgehend auch so ergangen… Grüße nach London – seid Ihr schon am Packen? Ingrid
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Nein, noch haben wir nicht angefangen zu packen. Das Schuljahr ist ja erst Anfang Juli zu Ende. Aber zumindest haben wir schon einen Schulplatz ab September. 😀
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grandios sind sie, van goghs zeichnungen!
danke für die auswahl, für den post.
herzliche grüße, pega
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Gern geschehen. Es war mir ein Bedürfnis und ein Vergnügen, den Zeichner van Gogh einmal in das Zentrum der Betrachtung zu stellen. Grüße zurück, Ingrid
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ja, das ist gut. als zeichner hat er bislang wohl eher weniger beachtung erhalten.
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Liebe Ingrid,
ein schönes Thema, einige Zeichnungen van Goghs waren auch bis vor kurzem bei uns im Kupferstichkabinett in Berlin in der Ausstellung Romantik und Moderne zu sehen.
Übrigens, oft entstanden auch zuerst die Ölgemälde und er zeichnete nachträglich nach seinen Ölgemälden, also genau umgekehrt als es „üblich“ ist.
Liebe Grüße von Susanne
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Dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Zeichner van Gogh dem Maler van Gogh untergeordnet wird, findet seinen Ausdruck auch darin, dass es kaum Bücher gibt (ich kenne nur noch – allerdings auch nur vom Hörensagen – eine ältere Veröffentlichung bei DuMont), die sich voll und ganz dem Zeichner widmen. Von daher war ich froh, dieses Bibliotheks-Buch hier entdeckt zu haben. Grüße nach Berlin, Ingrid
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Da hast du recht, Ingrid, ich habe diese ältere Veröffentlichung von dumont. 🙂 Manchmal bin ich ein wenig betriebsblind 😉
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Was mich an seinen frühen Zeichnungen am meisten fasziniert: Wie schlecht und ungelenk sie anfangs noch sind. Und wie unbarmherzig van Gogh lernte und sich antrieb, mehrmals und stur die Lehrbücher durcharbeitete. Für mich ist er ein fatastisches Beispiel dafür, dass Kunst sehr wohl erlernbar ist. Meinen herzlichen Dank für den Hinweis!
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Ja, van Gogh ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit viel Fleiß und ebenso viel Ausdauer hochgesteckte Ziele erreichen kann. Die Entwicklung, die er als Zeichner genommen hat, ist enorm.
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Zeichnen ist auf jeden Fall erlernbar, Simon. Aber die Idee, das Designo, sprich die Handschrift des Künstlers ist nicht erlernbar. Sehe ich jedenfalls so 🙂 🙂
Die ersten Zeichnungen van Goghs sind wirklich sehr schlecht, es hing auch eine von diesen schlechten im Kupferstichkabinett in der Ausstellung Romantik und Moderne. Ich hätte diese Zeichnung als Kurator nicht gehangen, denn ich finde, sie lassen die Meisterwerke mit der Handschrift von Goghs daneben verblassen.
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Ich finde es gerade großartig, dass man auch diese „schlechten“ Zeichnungen ausstellt. Denn die Handschrift entwickelt sich später ja automatisch, die Ideen liegen im Leben und waren bei van Gogh anfangs auch nicht unbedingt originell. So wird er für mich eben zu einem Beispiel, was jedem von uns möglich ist. Liebe Grüße!
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Ja, ich weiss – van Gogh, der „Vorzeigekünstler“. Leider reduziert man ihn meines Erachtens zu oft genau nur darauf.
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Hihi, also wenn man ihn reduziert, dann auf Sonnenblumen 🙂
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