Diese Bildungslücke ist jetzt endlich nicht mehr ganz so groß: In den letzten Wochen habe ich mich etwas intensiver mit Franz Kafka beschäftigt, um mich mit Leben und Werk dieses bedeutenden Schriftstellers besser vertraut zu machen. Ich habe Biografien über ihn und diverse Erzählungen sowie den Roman „Das Schloss“ von ihm gelesen, Hörbücher gehört und mit der Lektüre seiner Tagebücher begonnen. Jetzt, zum (vorläufigen?) Abschluss, habe ich mich nach längerer Zeit mal wieder einer Graphic Novel zugewandt. Der Titel lautet schlicht „Kafka“.
In dieser Graphic Novel widmen sich die Amerikaner David Zane Mairowitz/Text und Robert Crumb/Zeichnungen (ja, der Crumb von Fritz The Cat) den wesentlichen Aspekten im Leben und Schreiben Franz Kafkas. In schlichten, klaren Worten und fesselnden Zeichnungen vermitteln sie einen Eindruck von Kafkas Jugend, seinen Konflikten mit sich selbst und dem Vater, den Lebensumständen in Prag im oder am Rande des jüdischen Ghettos. Wir werden Zeugen des sich entwickelnden tschechischen Nationalismus‘, der sich gegen die in Böhmen lebenden Deutschen und vor allem gegen die Juden richtet, die, wie so oft, zum Prell- und Sündenbock für alles gemacht werden.
Auch die schwierigen, von seiner Unsicherheit und seinen Ängsten geprägten Beziehungen Kafkas zu Frauen werden thematisiert, seine wiederholten Verlobungen mit anschließender Flucht vor der Ehe; aber auch sein Hin- und Hergerissensein zwischen existenz-sicherndem Beruf und Schriftstellerei, für die ihm bis zu seiner krankheitsbedingten Freistellung von der Arbeit nur die Nächte blieben. Schließlich erleben wir seinen körperlichen Niedergang infolge von Tuberkulose. Kafka war erst 41 Jahre alt, als er im Juni 1924 an den Folgen seiner Krankheit starb.
Was wäre ein Porträt Kafkas, ohne auf die verschiedenen Phasen seines schriftstellerischen Schaffens und seine wichtigsten Werke einzugehen? Mairowitz und Crumb präsentieren den Lesern und Betrachtern ihres Buches anschaulich und atmosphärisch stark Auszüge aus Romanen und Kurzgeschichten des deutsch-tschechischen Autors aus Prag, einer Stadt, in die er immer wieder zurückgekehrt ist.
Mein Fazit: „Kafka“ ist ein wundervolles Buch, eine Art illustrierte Biografie. Mairowitz und Crumb sind Meister ihrers Fachs, die sowohl das Besondere, Beunruhigende, Beängstigende im Werk Kafkas vermitteln als auch einen Schriftsteller porträtieren, der von Unsicherheit und selbstquälerischen Zweifeln geprägt war. „Kafka“ ist eine ideale Einführung für alle, die sich für das Leben dieses ungewöhnlichen Menschen interessieren und sich dem Werk eines Künstlers annähern wollen, zu dem Zugang zu finden nicht ganz einfach ist.
„Kafka“ ist übrigens die Wiederauflage von „Kafka kurz und knapp“, das 1999 bei Zweitausendeins erschienen ist. Dem Reprodukt Verlag gebührt das Verdienst, das Buch wieder zugänglich gemacht zu haben. Dort sind inzwischen auch „Das Schloss“ und „Der Process“ sowie „Die Verwandlung“ als Graphic Novel erhältlich, allerdings von anderen Künstlern gestaltet (an „Das Schloss“ und „Der Process“ ist Mairowitz beteiligt).
David Zane Mairowitz & Robert Crumb
Kafka
Reprodukt 2013, 175 Seiten, 17 EUR
Herzlichen Dank, das ist etwas für den Grafiker und die Germanistikerin, also für uns beide 😉
dm und mb
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Das trifft sich ja gut!
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Ich habe es auch vor einigen Jahren gelesen ( die Zweitausendeins Ausgabe) und stimme Dir voll und ganz zu. Tolles Buch. Die düsteren Zeichnungen vermitteln eine ganz bestimmte kafkaeske Atmosphäre herauf. 🙂
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Vielen Dank für den Kommentar. Ich finde auch, dass die Zeichnungen sehr gut Kafkas Lebens- und Gedankenwelt vermitteln.
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Auf deine Besprechung habe ich bekanntlich gewartet und wurde nicht enttäuscht 😉 Es ist irgendwie genau das, was ich mir ausgemalt habe. Unabdingbar sich mal mit dieser Umsetzung länger zu beschäftigen. Danke dafür!
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Danke für Deine Stellungnahme. Ich nutze die Gelegenheit, auf Deine Besprechung der Graphic Novel „Die Verwandlung“ hinzuweisen, auf die Du Dich indirekt beziehst.
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Auch wenn ich mir das nie hätte vorstellen können: ich glaube, dass könnte mir gefallen! Danke für die Vorstellung! 🙂
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Versuch’s! Auch wenn Dir Kafka nach der Durcharbeitung des Buches als Schriftsteller womöglich (immer noch) ein wenig unnahbar erscheinen sollte, lernst Du auf jeden Fall einen ungewöhnlichen Menschen kennen. Und das Buch ist zugleich ein bischen Geschichtsbuch. Zudem sind Mairowitz und Crumb ein tolles Gespann.
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Und weiter wächst der Bücherstapel…aber dieses Buch muss ich haben!
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Recht so!
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Liebe Ingrid
Ich schliesse mich Petra an: dein Bericht klingt toll und schon das Coverbild gefällt mir ausgesprochen gut. Vielen Dank für die Vorstellung. Von Kafka habe ich einzig „Brief an den Vater“ gelesen.
LG buechermaniac
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Das Buch ist ein Beispiel dafür, wie gut es gelingen kann, einen schwierigen Menschen und sein schwieriges literarisches Werk ‚rüberzubringen, wenn sich zwei hervorragende Künstler zusammentun. Das Cover gefällt mir auch; es wirft ein Schlaglicht sowohl auf die Lebens- als auch die Gedankenwelt Kafkas.
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Ich glaube, das könnte mir auch gefallen. Danke für den Tipp!
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Vermutlich wird das Buch Dich genauso beeindrucken wie mich.
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Jetzt bin ich aber neuigierig. Wird sofort auf meine Wunschliste gesetzt!
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Eine gute Idee!
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