Ein Buchladen in Paris
Im Jahr 1916 sprach Sylvia Beach in New York mit dem Verleger Ben W. Huebsch über berufliche Möglichkeiten. Ihre – nach eigener Aussage – damals noch recht vage Idee: die Eröffnung einer Buchhandlung. 1916? Das ist doch das Jahr, in dem Madge Jenison die New Yorker Buchhandlung Sunwise Turn gründete. Wären da beinahe in New York zeitgleich zwei von Frauen geführte Buchläden entstanden?
Es kam anders. Nachdem sie mit ihrer Familie schon einmal einige Zeit in Paris gelebt hatte, kehrte Sylvia Beach 1917 dorthin zurück. Schon bald machte sie die – für beide Frauen bedeutsame – Bekanntschaft der Buchhändlerin Adrienne Monnier. Sylvia Beach mit ihrem großen Interesse an zeitgenössischer Literatur ihres Gastlandes träumte von einer eigenen französischen Buchhandlung, die sie als Filiale von Adriennes Laden in New York eröffnen wollte. Aber sie erkannte bald, dass ihre finanziellen Mittel dazu nicht ausreichten. Also was tun? Es war wohl Adrienne, die Sylvia mit der Idee begeisterte, eine amerikanische Buchhandlung in Paris zu gründen.
Am 19. 11. 1919 öffnete Shakespeare and Company seine Pforten. Das kleine Ladenlokal in der Rue Dupuytren beherbergte sowohl eine Buchhandlung als auch eine Leihbücherei. Noch ahnte niemand, welch wichtige kultur- und literaturgeschichtliche Rolle diese Buchhandlung einmal spielen würde. Doch schon bald wurde sie zum literarischen Mittelpunkt der Stadt. Viele amerikanische und englische Schriftsteller lebten in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Paris und gingen bei Shakespeare and Company ein und aus. Ezra Pound, Ernest Hemingway, Gertrude Stein, T. S. Eliot, F. Scott Fitzgerald und viele andere (spätere) literarische Größen gehörten zu Sylvia Beachs Kundschaft und Freundeskreis.
Und da wäre noch James Joyce. Die Geschichte von Shakespeare and Company ist auch ein bedeutsamer Teil der Geschichte dieses großen irischen Schriftstellers – und umgekehrt. Was wäre aus Joyce und seinem „Ulysses“ geworden, hätte Sylvia Beach nicht das in England und Amerika auf dem Index stehende Werk unter Aufbietung all ihrer Kräfte als Verlegerin herausgebracht? Damit begann eine langjährige kräftemäßig und auch finanziell stark an Beach’s Substanz gehende Zusammenarbeit mit dem von ihr so außerordentlich geschätzten Autor. In ihren in diesem Buch vorliegenden Erinnerungen spielt James Joyce denn auch eine zentrale Rolle.
Bei dem ständigen Kommen und Gehen englischer, irischer, amerikanischer, aber auch bekannter französischer Schriftsteller und angesichts ihrer aufreibenden Arbeit für Joyce fragt man sich, wann Sylvia Beach eigentlich noch Zeit hatte, sich ihrer Aufgabe als Buchhändlerin zu widmen. Darüber, wie sie die alltäglichen Anforderungen ihres Berufs bewältigt hat, schreibt sie in ihren Erinnerungen verhältnismäßig wenig. Hier unterscheidet sich ihr Buch stark von den Aufzeichnungen von Madge Jenison über deren Arbeit bei und für Sunwise Turn. Sylvia Beach erzählt vor allem von den Begegnungen mit ihren zahllosen Freunden aus der Literaturszene. Und das tut die genaue Beobachterin auf sehr unterhaltsame Art und Weise.
Die deutsche Besetzung von Paris im Zweiten Weltkrieg bedeutete das Ende von „Shakespeare and Company“. Nachdem Sylvia Beach sich geweigert hatte, einem deutschen Offizier „Finnegans Wake“ von Joyce zu verkaufen, drohte die Beschlagnahmung der gesamten Bestände. Binnen weniger Stunden schloss Beach ihre Buchhandlung und schaffte mit Freunden sämtliche Bücher in eine leerstehende Wohnung. Der Schriftzug „Shakespeare and Company“ an der Hausfront wurde übermalt.
Was zum Glück geblieben ist, sind die zu Papier gebrachten Erinnerungen Sylvia Beachs. Sie zu lesen ist ein Vergnügen. Und man staunt über die Leistung, die diese Frau erbracht hat. Ach ja, ein wenig neidisch wird man auch. Wer kann schon von sich behaupten, so viele und so bedeutende Schriftsteller gekannt und als Freunde gehabt zu haben?
Sylvia Beach
Shakespeare and Company
Ein Buchladen in Paris
Suhrkamp Taschenbuch 1982, 248 Seiten, 9 EUR
You did it : ) Und offenbar hat es dir auch sehr gefallen, wie schön! Mir ging es ähnlich wie dir: Ich empfand ein großes Lesevergnügen gemischt mit etwas Wehmut, dass man nicht dabei sein konnte.
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Ja, Wehmut ist, glaube ich, der richtige Ausdruck. Schade auch, dass der „Original-Shakespeare and Company-Buchladen“ nach der Befreiung nicht wieder geöffnet hat.
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Ja, nicht wahr? Aber selbst an neuem Ort hat sich die Buchhandlung ja großer Beliebtheit erfreut.
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Wie schön, dass Du uns die Türen zu Shakespeare and Company geöffnet hast!
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Es war mir ein Vergnügen!
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